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Keine Vaterrechte nach Missbrauch

Keine Vaterrechte nach Missbrauch: Jugendliche dürfen Auskunft über sich selbst verweigern (Freitag, 20.05.2022)

Wenn man für sein Kind das Sorgerecht und den persönlichen Kontakt verliert, dann bleibt nur noch ein Recht aus § 1686 Bürgerliches Gesetzbuch, vom anderen Elternteil über sein Kind informiert zu werden. Doch auch dieses Recht kann verwirkt werden, so wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts Bamberg (OLG).

Ein Vater wollte auf Basis des besagten Paragraphen ein aktuelles Foto seiner Kinder und die Zeugnisse der letzten fünf Jahre haben. Soweit verständlich – wenn man die Hintergründe nicht kennt, die zum Entzug des Sorgerechts und des persönlichen Kontakts führten. Denn in Fällen wie diesem hier kann sogar das Recht darauf verwirkt sein. Hier war der Vater nämlich wegen etlicher Fälle des sexuellen Missbrauchs und der Kinderpornographie verurteilt worden – eines der Opfer war sogar die eigene Tochter gewesen. Die Mutter befürchtete daher nun, dass der Vater die Informationen, auf welche Schule die Kinder gehen und wie sie aussehen, nur begehre, um die Kinder nach seiner Haftentlassung aufzuspüren.

Das OLG lehnte den Antrag des Vaters daher ab – auch gestützt auf den Willen der 14 und 17 Jahre alten Kinder. Diese hatten sich in der erfolgten Anhörung gewünscht, dass der Vater nichts von ihnen wissen und sie in Ruhe lassen solle. Auf keinen Fall solle er die Fotos und Zeugnisse erhalten. Es müsse reichen, ihm mitzuteilen, dass es ihnen gut gehe. Dieser autonome und objektiv nachvollziehbare Wille der Kinder wurde angesichts ihres Alters als Ausdruck der Selbstbestimmung gewertet – und es erschien dem OLG zwingend, die Kinder zu respektieren.

Hinweis: Der Wille eines Jugendlichen, der altersentsprechend geistig reif ist, wird in der Praxis nur dann übergangen, wenn er offensichtlich das eigene Wohl gefährdet. Eine feste Altersgrenze, ab der Kinder über ein Verfahren „entscheiden“ können, gibt es dabei nicht.
Quelle: OLG Bamberg, Beschl. v. 14.03.2022 – 2 UF 28/22

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Gekündigte Betriebsratswahlinitiatorin

Gekündigte Betriebsratswahlinitiatorin: Arbeitsgericht lehnt dreifach erfolgte außerordentliche Kündigungen ab (Mittwoch, 18.05.2022)

Die Mitglieder des Wahlvorstands einer Betriebsratswahl genießen besonderen Kündigungsschutz. Ignoriert der Arbeitgeber diesen Sonderkündigungsschutz, können betroffene Arbeitnehmer dagegen klagen. Im folgenden Fall des Arbeitsgerichts Düsseldorf (ArbG) konnte eine entsprechende Kündigungsschutzklage gleich dreifach punkten.

Der Arbeitgeber hatte der klagenden Beschäftigten dreimal erfolglos außerordentlich gekündigt. Mitte August hatte die Arbeitnehmerin gemeinsam mit zwei Kolleginnen zu einer Betriebsversammlung eingeladen. Ziel der Versammlung war es, einen Wahlvorstand für eine Betriebsratswahl zu wählen. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin der Arbeitnehmerin fristlos, hilfsweise fristgerecht wegen wiederholten Zuspätkommens trotz einschlägiger Abmahnung. Die Beschäftigte wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage.

Das ArbG hielt die fristlose Klage für unwirksam, da Verspätungen grundsätzlich keine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das Gericht entschied zudem, dass die hilfsweise ausgesprochene fristgemäße Kündigung ebenso unwirksam war, weil die Arbeitnehmerin als Initiatorin der Betriebsratswahl besonderen Kündigungsschutz genießt.

Zu der Betriebsversammlung, in der der Wahlvorstand gewählt werden sollte, erschienen rund 15 Beschäftigte. Sie passten allerdings wegen der Corona-Vorschriften nicht alle in den zu diesem Zweck gemieteten Raum. Der Arbeitgeber hatte zwar kurzfristig andere Räume angeboten – die Arbeitnehmerin lehnte dieses Angebot jedoch ab, so dass die Betriebsversammlung deshalb nicht stattfand. Deshalb erhielt die Arbeitnehmerin eine weitere Kündigung. Und auch diese Kündigung scheiterte vor dem ArbG, da der Arbeitgeber keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die behaupteten Absichten der Arbeitnehmerin vorbringen konnte. Dann kam die dritte Kündigung wegen eines Verstoßes gegen ein Hausverbot. Im Dezember hängte die später erneut gekündigte Beschäftigte ohne vorherige Absprache mit dem Arbeitgeber im Backoffice der Filiale eine neue Einladung zu einer Wahlversammlung aus. Hierauf reagierte der Arbeitgeber erneut mit einer fristlosen Kündigung. Diese begründete er damit, dass die Arbeitnehmerin ein Hausverbot missachtet und einen Hausfriedensbruch begangen habe. Auch diese Kündigung scheiterte. Das Gericht ging zwar von einer Verletzung des Hausrechts aus, die jedoch nicht so schwerwiegend war, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt gewesen wäre. Mit einer Abmahnung wäre das Verhalten vielmehr ausreichend sanktioniert worden.

Hinweis: Gegen eine Kündigung muss zwingend binnen drei Wochen eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingelegt werden. Wird die Frist verpasst, beendet die Kündigung in den allermeisten Fällen das Arbeitsverhältnis.
Quelle: ArbG Düsseldorf, Urt. v. 23.02.2022 – 10 Ca 4119/21

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Erbeinsetzung oder Vermächtnisanordnung?

Erbeinsetzung oder Vermächtnisanordnung? Einstige Vorstellung des Erblassers über die Zusammensetzung des Nachlasses ist mitentscheidend (Samstag, 14.05.2022)

Ob man zum Erben oder Nachlassempfänger wird, ist auch bezüglich der mit dem jeweiligen Status verbundenen Verpflichtungen nicht unerheblich. Im folgenden Fall musste das Oberlandesgericht Rostock (OLG) entscheiden, ob der Wert eines zugewandten einzelnen Gegenstands – hier eine Immobilie – allein schon darüber entscheidet, dass der Empfänger zum Erben wird, wenn der restliche Nachlass nicht an den Gegenstandswert heranreicht.

Der Erblasser hatte im Jahr 1987 mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich beide gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Nach dem Tod des Längstlebenden war verfügt worden, dass ein im Eigentum der Eheleute stehendes Hausgrundstück an den Antragsteller im späteren Erbscheinsverfahren übergehen sollte. Das Haus hatte in etwa einen Wert von 200.000 EUR, der restliche Nachlass einen Wert von ca. 61.000 EUR. In der Folge stritten sich der Empfänger der zugewendeten Immobilie sowie die gesetzliche Erbin darum, wer Erbe nach dem Längstlebenden geworden sei.

Das OLG kam – anders als das Nachlassgericht – zu dem Ergebnis, dass der Zuwendungsempfänger des Hauses nicht Erbe nach dem Längstlebenden geworden ist. Hierbei hat das Gericht die Zweifelsregelung angewendet, dass bei der Zuwendung eines einzelnen Gegenstands eben nicht von einer Erbeinsetzung, sondern von einer Vermächtnisanordnung auszugehen ist. Der Umstand, dass es sich um das wesentliche Vermögen des Erblassers handelt, führt nicht zwangsläufig dazu, dass es sich um eine Erbeinsetzung gehandelt hat. Zu prüfen ist immer, wovon der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments in seinen Vorstellungen über die Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der Gegenstände ausgegangen ist. Hierbei trifft denjenigen, der sich auf die Erbenstellung beruft, die Beweislast dafür, dass der zugewandte Gegenstand praktisch das gesamte Vermögen des Erblassers ausgemacht hat. Sofern dieser Nachweis geführt werden kann, ist dies ein starkes – wenngleich nicht zwingendes – Indiz dafür, dass der Erblasser dem Bedachten Rechte einräumen wollte, die nur einem Erben zugutekommen können. Diesen Nachweis, dass bei Testamentserrichtung kein wesentliches anderes Vermögen der Eheleute vorhanden gewesen war, konnte der Antragsteller hier aber nicht erbringen.

Hinweis: Ein Indiz, das beispielsweise die Stellung als Erbe entkräften kann, ist, wenn sich aus der Verfügung ergibt, dass der Bedachte nicht für Nachlassverbindlichkeiten, für Beerdigungskosten oder die Grabpflege aufkommen muss. Dies sind typische Verpflichtungen, die einen Erben treffen.
Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 08.02.2022 – 3 W 143/20

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